Gutachten über ein zukünftiges Gerät
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Michael Rutschky testete das Softbook  

Zwar finden sich also Hinweise, wie ich als Autor ein Softbook produzieren und mich in das entsprechende Network einschalten kann, doch geht es vor allem um Lesen.
Wenn ich richtig verstehe, ist damit die ursprüngliche Utopie, von der all diese Gerätschaften inspiriert waren, aufgegeben: Jeder Empfänger ist ein Sender und umgekehrt; niemand braucht in der Passivität der Lektüre zu verharren, jeder kann sogleich zur Aktivität des Schreibens übergehen. Eine Utopie, die schon andere Kommunikationstechnologien besiedelt hatten (bei Brecht bekanntlich das Radio). Und zugleich eine Utopie, die vor allem den Wünschen des jungen Autors entspricht. Denn den jungen Autor charakterisiert zu allererst nicht der Wunsch, zu schreiben - Gedichte, Romane, Theaterstücke - was den jungen Autor vor allem quält (wirklich: quält), das ist der Wunsch zu publizieren, die Sehnsucht nach Veröffentlichung. Eine längere Beschäftigung mit den Leserbriefen an die Zeitungen hat mich mal zu dem Ergebnis gebracht: Alle wollen bloß schreiben, keiner will lesen. So muß man die Akzente bei jener Utopie also umgruppieren. Statt ,,jeder Empfänger zugleich ein Sender" muß es heißen ,,wo Empfänger war, soll Sender werden". Wo Leser, da Schreiber.