Gutachten über ein zukünftiges Gerät
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Michael Rutschky testete das Softbook  

Nun muß der Gutachter eine Einschränkung machen. Das Leder umhüllt das Softbook nicht in toto, sondern nur zur Hälfte. Der dunkelgrüne Corpus besteht gut erkennbar aus Plastik, auch wenn das Dunkelgrün zusammen mit dem Lederbraun den Eindruck erwecken möchte, das Gerät verdanke sich handwerklicher Kunst und sei geschmackvollerweise am besten in freier Landschaft zu verwenden.
Die Halbierung des Ledereinbandes bringt das Gerät um viel von dem Effekt, den er eigentlich machen sollte. Statt an Enzensbergers Vozugsausgaben oder die Rare Books der Antiquariate, fühlt sich der Gutachter an die sog. Halblederbände erinnert, die früher Buchclubs ihren Ausgaben zu verpassen pflegten. In Buchclubs konnte der Leser, der sich in der Buchproduktion nur schlecht zu orientieren vermochte, gute Bücher sozusagen abonnieren. Buchclubs waren für aufstiegsorientierte Bürger da, die am Bildungsnimbus schon mal partizipieren wollten, ohne richtig zum Bildungsbürgertum zu gehören. Buchclubs versammelten das Bildungskleinbürgertum; und wie alle Güter, die dem sozialen Aufstieg dienen sollen, zeichneten sich Buchclub-Bücher durch ein eigentümliches Ungeschick aus: Die Halbleder-Bände schauten, sofern die Bücher reihenweise im Schrank standen, zwar wie Ganzleder aus, aber wenn man sie aus der Reihe und dem Schrank herausnahm, hielt man halt bloß ein halbbekleidete Hardbook in der Hand. Am Ende war übrigens alles Halbleder Kunststoff geworden.